Mittwoch, 25. April 2018

[Rezension] [Graphic Novel] Luke Pearson: Hilda und der Troll (Bd. 1)


Der Inhalt

Hilda liebt es, in ihrer Freizeit die fantastischen Weiten ihrer Heimat zu durchstreifen, zu zeichnen und sich mit den unterschiedlichsten Wesen anzufreunden. Eines Tages liest sie in einem Buch über das Leben der gefährlichen Trolle und wie man sich gegen sie schützen kann. Als sie in der Wildnis plötzlich doch noch über eine dieser seltenen Kreaturen stolpert, weiß sie ganz genau, was zu tun ist. Oder?

Reprodukt Verlag (März 2017) | aus dem Englischen von Matthias Wieland | Handlettering von Michael Hau | 
40 Seiten | ISBN 978-3-95640-126-8 | 
EUR 13,00 € [DE], EUR 13,40 € [A]



Ich bin eine komplexe und vielschichtige Persönlichkeit.


Weniger ist mehr

Als ich "Hilda und der Troll" beim Reprodukt Verlag bestellte, wusste ich bereits, dass mir das bunte Design, die wunderschönen Zeichnungen und das fantastische Setting zusagen würden - was ich jedoch nicht wissen konnte war, wie viel Autor bzw. Zeichner Luke Pearson auf insgesamt 40 Seiten so alles bewerkstelligen kann. Während ich das Heftchen zunächst etwas enttäuscht in meinen Händen wog, ließ ich mich für einen kurzen Moment von einem altbekannten Vorurteil übermannen, nur um wenig später festzustellen: Weniger ist mehr.

Ja, Hildas Geschichte umfasst nicht mehr als ein paar Seiten - 24, um genau zu sein - und doch steckt so viel Liebe in den Bildern und der Geschichte, wie sie so mancher gut gemeinter Marvel-Comic heute nicht mehr vorweisen kann. Satte, warme Farben, liebevolle Details und eine angenehme, runde Ästhetik machen es zu einem absoluten Genuss, lange auf einer einzelnen Seite zu verweilen und sich alles sehr genau anzuschauen. Die kindgerechten Zeichnungen sind leicht zu verfolgen und korrespondieren in ihrem einfachen Bildaufbau mit der recht unspektakulären Ordnung der Panels. Diese variiert zwar hin und wieder, bricht aber nie aus ihrem gewohnten Trott aus, sondern behält eine klare Linie bei.

Von kindlicher Emanzipation

Hilda ist eine wunderbare Heldin, die mit ihrer Mutter auf dem Land in einer kleinen Hütte lebt. Bis auf ein paar Tiere und Wesen in ihrer Umgebung besitzen sie eigentlich keine Nachbarn und so scheint Hilda im Großen und Ganzen sich selbst überlassen zu sein, wenn es darum geht, sich selbst zu beschäftigen. Ihre Mutter, die nur auf einer Seite des Comics zu sehen ist, scheint entweder zu beschäftigt oder einfach nur sehr locker zu sein, wenn sie ihre Tochter frei durch die Wildnis streifen lässt - und sich auch keine Sorgen macht, wenn sie mal etwas später nach hause kommt. Dadurch entsteht für Hilda so etwa wie ein kindlich-autonomer Raum, in dem sie frei agieren und sich frei bewegen kann. Ihre Welt, die mit ihren Bewohnern im Vergleich zu unserer wie ein fremder Planet erscheint, steht ihr offen, sie bewegt sich souverän in ihr, erkundet sie, malt sie, will Teil von ihr sein. Es überrascht sie nicht einmal, dass jeden Tag ein einsames Holzmännchen in ihr Zuhause hineinspaziert und es sich mit depressiver Haltung auf dem Boden gemütlich macht - es überrascht sie nicht, es nervt sie nur. Während ihr alle Türen offen stehen und sie ihre Handlungen nicht zu rechtfertigen braucht, agiert sie manchmal fast schon zu wenig kindlich.

Fazit

Hilda findet in einem Buch über "Trolle und andere gefährliche Kreaturen" so viel Wissenswertes, dass sie, als sie auf ihren Streifzügen einen echten Trollfelsen in freien Wildbahn entdeckt, sofort
weiß, was zu tun ist: Indem sie dem Troll, der von Natur aus nur Nachts aktiv sein kann, ein Glöckchen an die Nase bindet (bzw. binden lässt), weiß sie, wann er sich zu rühren beginnt. Doch bald muss sie feststellen, dass es sich bei der Sicherheitsmaßnahme um eine schreckliche Grausamkeit handelt, denn Trolle können das Geräusch der Glöckchen eigentlich nicht ertragen. In diesem von erwachsenem Einfluss fast vollständig autonomen Raum lernt Hilda auf eigene Weise die Grenzen ihres Tun und Handels kennen. Indem sie sich eigenständig und neugierig an die Welt herantastet, die sie umgibt, lernt sie direkt von ihr, statt bloß über sie. "Hilda und der Troll" ist nicht nur rein künstlerisch ein unfassbar schönes Werk, es fordert seine Leser auch dazu auf, den kindlich-neugierigen Blick auf die Welt nicht zu verlieren, den jeder Mensch von Grund auf in sich trägt. Hilda lehrt uns, offen zu sein, und keine Furcht davor zu haben, aus den eigenen Fehlern zu lernen. Eine wunderschöne Graphic Novel, die ruhig mehr Seiten haben dürfte, um uns Hildas fantastische Welt und ihre Wesen noch etwas näher zu bringen. Dafür freue ich mich umso mehr auf den nächsten Band!


Wertung

♥♥♥♥


Vielen herzlichen Dank an den 
Reprodukt Verlag
für das Rezensionsexemplar!





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