Montag, 16. Juli 2018

[Rezension] Heather Fawcett: Fuchs und Feuer - Die dunkelsten Sterne des Himmels (Bd. 1)

Fuchs und Feuer - Die dunkelsten Sterne des Himmels (1)


Der Inhalt

Kamzins Traum ist es, Entdeckerin zu werden und im Namen des Königs die Welt zu bereisen. Als der berühmte kaiserliche Entdecker River Shara mit seiner Truppe in ihrem Dorf halt macht, kann sie sich vor Freude kaum halten. Gemeinsam machen sie sich auf, auf der Suche nach einem mächtigen Hexenartefakt den bislang unbezwungenen Berg Raksha zu besteigen. Zwischen eisigen Naturgewalten und übernatürlichen Begegnungen muss Kamzin bald feststellen, dass Verrat die tödlichste Gefahr von allen ist.

 Dressler Verlag (März 2018) | 512 Seiten
ISBN 978-3-7915-0072-0
 EUR 20,00 € [DE] | EUR 20,60 € [A]

“Und dann kam ich an einen Ort, an dem der Berg aufhörte. An dem man nirgendwo anders hingehen konnte. Ich hatte den Gipfel des Raksha erreicht.”

Was mich begeistert hat

Als ich die ersten Kapitel von "Fuchs und Feuer" hinter mich gebracht hatte, war das einzige, was ich denken konnte: Verdammt, sind das gute Ideen! In ihrem allerersten Roman schafft es Autorin Heather Fawcett mit Leichtigkeit, eine ureigene Welt zu erschaffen, die aus sich selbst heraus, mit eigenen Mythen und Legenden, eigener Geschichte und eigener Magie reibungslos funktioniert. Drachen sind in dieser Welt kleine Wesen von der Größe eines Hundes, die einen nicht enden wollenden Appetit auf getrocknete Apfelscheiben und leuchtende Bäuche besitzen, mit denen sie ihren Besitzern bei Dunkelheit und Kälte Licht und Wärme spenden. Magie funktioniert, ähnlich wie im tibetanischen Schamanismus, mithilfe von Talismanen und rezitierten Formeln und der Kaiser treibt das Reich mit seinen Expansions-Vorhaben in einen ewigen Krieg. In dieser faszinierenden Welt ist der Weg für unsere Heldin Kamzin eigentlich vorgeschrieben: Sie soll das Schamanenhandwerk lernen, wie der Brauch es will, dabei hat sie dafür nicht einmal Talent. Und eigentlich möchte sie viel lieber etwas von der Welt sehen. Gemeinsam mit River Shara, ihrem besten Freund Tem, zwei Dorfleuten Dargye und Aimo sowie dem Schamanen Norbu macht sie sich bald, allen Vorschriften und Traditionen zum Trotz, auf den Weg in das größte Abenteuer ihres Lebens. Ein Abenteuer, das geprägt ist von heftigen Schneestürmen, unmenschlicher Kälte, tödlichen Abgründen, übernatürlichen Schattenwesen und einer Menge Laufen und Klettern - ein Abenteuer, das für die Protagonistin zweifelsohne spannender war, als es für den Leser gewesen ist.

Was mich gelangweilt hat

Während mich der Anfang des Buches absolut gepackt und in seinen Schlund gezogen hat, ließ die anfängliche Vorfreude auf ein magisches Abenteuer in einer eisigen Bergwelt schnell nach. Nach etwa 150 Seiten kommt die Geschichte ins Straucheln und schleppt sich so träge durch den hüfthohen Schnee wie seine Protagonisten. Seitenlange Beschreibungen der eintönigen Umgebung, der sich immer wiederholenden Gefahren und belangloser Gespräche reihen sich aneinander wie die Perlen an Tems Gebetskette und scheinen nicht mehr aufzuhören. Passiert dann tatsächlich einmal ein Unglück, schafft es die Autorin nicht, die Spannung länger als nur eine Seite lang aufrecht zu erhalten, als hätte sie Angst, sie könnte den Leser damit entweder überfordern, oder es könnte ihr der Wortschatz ausgehen. Somit ist der feindliche Angriff schneller abgehandelt, als die Leserin begreifen kann, dass sich die Charaktere tatsächlich eben in Gefahr befunden haben.
 Dass ihre Charaktere, vor allem die Nebencharaktere, über die Reise hinweg absolut flach, unsympathisch und unspannend bleiben, macht die fehlende Spannung im Mittelteil nicht gerade wett: Befindet sich einer von ihnen in Gefahr, kann man als unbeteiligte Leserin das Ganze nur allzu schnell mit einem unbedarften Achselzucken abtun. Dabei bin ich eigentlich eine von der Sorte, die über Nebencharaktere gerne mal mehr Tränen vergießt als über das Leid ihrer Hauptcharaktere.

Was mich warmgehalten hat

Während Kamzin von den anderen Figuren immer wieder als entschlossen, mutig und unerschütterlich gepriesen wird, erscheint sie - dank der Innensicht - dem Leser alles andere als das. Viel zu oft lässt sie sich von ihren jugendlichen Gefühlen für River verleiten, verwandelt sich in seiner Gegenwart in ein weichgekochtes Ei, obwohl sie sich als angenehm aufmüpfig erwiesen hat.

Ein bisschen kann ich ihre Schwärmerei dann doch verstehen, denn der kaiserliche Entdecker River Shara ist schließlich einer von den männlichen Hauptcharakteren, die sich durch ihre Scharfsinnigkeit, ihr geheimnisvolles Auftreten und ihre große Klappe nur allzu schnell einen Platz in meinem Herzen erkämpfen. Mal ist er da, mal nicht, mal schenkt er ihr Beachtung, dann wieder nicht - River lebt das, was andere 'Push and Pull' nennen mit jeder Faser seines Körpers und kann einen dabei schon mal wahnsinnig machen. Die Kamzin, die ihm hin und wieder stur die Stirn bietet, hat mir im Verlauf des Romans definitiv am besten gefallen, kam jedoch leider viel zu selten vor.

Und auch, wenn ich ein großer Fan von gut erzählten Romanzen bin, muss ich von Glück sagen, dass sich die Liebesbekundungen in diesem Roman auf einem angenehmen Level halten. Das Abenteuer und die Anstrengungen der Reise stehen definitiv im Mittelpunkt. Und das, obwohl Kamzins bester Freund Tem gleichzeitig ihr Ex-Freund ist (spannende Konstellation, die endlich mal von der Norm abweicht!) und damit eine spannendes Element in der Beziehung von Kamzin und River hätte sein können. Aber es gibt ja noch einen zweiten Band - die Chance auf eine ausgewachsene Love-Triangle besteht also noch.

Was mich gerettet hat

Ein persönliches Highlight war für mich die Art und Weise, wie Heather Fawcett die Figur des Vertrauten in ihren Roman eingebunden hat: Kamzin besitzt nämlich, um den deutschen Titel des Romans zu erklären, einen Fuchs namens Ragtooth, der ihr als magisch fundiertes Wesen zur Seite steht und der meiner Meinung nach wunderbar geschrieben ist. Er ist nicht etwa das treue Schmusetier, dass man sich in seiner eigenen Fantasy-Utopie gerne mal erträumt, sondern ein kleiner, räudiger, bissiger Fiesling, der Kamzin immer wieder mal alleine lässt, um dann unvorhergesehen wieder aufzustauchen. Im einen Moment lässt er sich kraulen, im andern Moment versucht er, ihr die Finger abzubeißen. Ein stinkender, wandelnder Floteppich. Ein widerspenstiges Biest - und dabei genau mein Ding.
Während Ragtooth mir die zähe Wanderung durch Eis und Schnee definitiv versüßt hat, war es vor allem das Ende des Romans, das die gesamte Leseerfahrung für mich gerettet hat. Die Autorin schafft es im letzten Drittel des Buches nämlich ganz wunderbar, das Ruder noch einmal herumzureißen, und ihre Helden einige fiese und absolut spannende Hindernisse überwinden zu lassen. Auch wenn ich an mehreren Stellen das Gefühl bekam, dass die Geschichte an einigen Stellen stark gekürzt worden ist, hat mich die aufs Finale zusteuernde Spannung noch einmal voll erwischt. Und als das Ende dann - ganz plötzlich - da war, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen, und musste es nach der letzten Seite mit einem wütenden, frustrierten, aber zugleich begeisterten Aufschrei erstmal in die Ecke schmeißen. Verdammt, wann erscheint Band Zwei?!

Fazit

Heather Fawcetts Debütroman "Fuchs und Feuer - Die dunkelsten Sterne des Himmels" hat mich von Beginn an eher wegen des Themas angesprochen - und nicht, wie so oft, durch ein schönes Cover. Das Cover des deutschen Romans gefällt mir in diesem Fall nämlich absolut nicht, ich habe mir aber für die Zukunft vorgenommen, meine Covermeinung ein wenig aus meiner letztlichen Wertung zurückzunehmen. Während der Roman mich von Beginn an mit seinen innovativen Ideen und seiner urig-verschneiten Bergwelt sofort in den Bann gezogen hat, hat mich der belanglose Mittelteil mangels Figurentiefe und schlichtweg schlecht gehandhabter Spannungsbögen wirklich eine ganze Weile auf dem Zahnfleisch gehen lassen. Lediglich der gut geschriebene Charakter des River Shara hat mich am Ball bleiben lassen - und siehe da: Mein Durchhalten wurde belohnt! Das letzte Drittel des Romans sprüht nicht nur vor Spannung und guten Ideen, sondern fängt seine Leser dann auch noch mit einem ganz fiesen Cliffhanger, der einen lechzend nach dem zweiten Band in einer wilden Aufregung zurücklässt. Chapeau!

Wertung

♥♥


Ich danke der Verlagsgruppe Oetinger für das Rezensionsexemplar!

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